Eine innovative Idee lässt das Gastgewerbe aufhorchen: Indoor Farming, auch Vertical Farming genannt. Gemüse dort anzubauen, wo es verzehrt wird, ist nicht neu. Aber eine Lösung speziell für das Gastgewerbe gab es bisher nicht. Jetzt ist das Start-up Mana Farms mit genau diesem Anspruch auf dem Markt erschienen. In einem Pilotprojekt mit der Burgerkette Peter Pane will es den Nachweis liefern, dass Indoor Farming in der Gastronomie nachhaltig eingesetzt werden kann. Gründer Raphael Schardt (Mana Farms), Gastronom Patrick Junge (Peter Pane) und Investor Hendrik Kampmann (Klima- und Lüftungstechnik) stellten sich im Hospitality Talk den Fragen.
Worum handelt es sich bei Mana Farms?
Das Ende 2020 gegründete Start-up Mana Farms hat sich mit seiner Lösung für Indoor Farming auf die Gastronomie spezialisiert. Der Gastronom baut Kräuter und Gemüsesorten selbst an und erntet es vor den Augen seiner Gäste. Der sogenannte „Wachstumsschrank“ von Mana Farms kann individuell gestaltet werden, damit er zum Design des Restaurants passt. „Wir haben jetzt mit der neuen Version, die auch im Leipziger Peter Pane Restaurant steht, das erste individuelle Design geschaffen“, so Raphael Schardt.
Welchen Mehrwert bietet Indoor Farming der Gastronomie?
Mana Farms bietet Gastronomen einen vielfachen Nutzen. So erlaubt Vertical Farming einen ganzjährigen Anbau, unabhängig von Witterungseinflüssen. Dadurch sichern sich Gastronomen kalkulierbare Preise. Gäste erhalten eine sichtbar hohe Qualität. Aufgrund wegfallender Transportwege leisten Gastronomen ihren Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit und zur Kreislaufwirtschaft. Sie verbrauchen selbst produzierte Ressourcen direkt und erzeugen dadurch weniger Abfälle. Die Pilotphase mit Peter Pan bringt zusätzliche Erkenntnisse, die in die Produktentwicklung einfließen. Das Konzept mit der Kombination aus qualitativ hochwertigem Produkt, Marketingeffekt und Produktentwicklung ist einmalig.
Was eignet sich für Vertical Farming?
Grundsätzlich bieten sich alle Sorten von Kräutern, Gemüsen und auch Früchten an. Das können Beeren, Salate, Tomaten oder Gurken sein. Aus wirtschaftlicher Sicht machen vor allem Pflanzen Sinn, die schnell wachsen und fast vollständig verzehrt werden. „Je länger eine Pflanze wächst, desto mehr Strom wird benötigt, desto teurer wird die Produktion“ erläutert Raphael Schardt. Verwertet die Küche nur einen Bruchteil der Pflanze, wie etwa bei der Tomate, so verschwendet sie Strom. Kräuter oder Sprossen, die der Koch vollständig einsetzt, leisten zudem einen Beitrag zur Müllvermeidung. Es kann auch interessant sein, teure Grünpflanzen zu züchten, die draußen keine idealen Wachstumsbedingungen vorfinden.
Warum setzt Peter Pane auf Indoor Farming?
Gastronomen beklagen mitunter, dass der Eigenanbau nicht den ganzen Bedarf abdeckt. Was veranlasste Peter Pane dazu, auf Mana Farms zu setzen? „Wir haben schon seit langer Zeit den Ansatz, dass wir Dinge nachhaltig und vernünftig machen möchten“ bekräftigt Patrick Junge seine Motivation. Peter Pane setzt auf wahrnehmbare, hohe Qualität. Zwischen ihm und Raphael Schardt passte die Chemie und so kam es zu zwei Testphasen. Im Laufe des Projekts stellten sie fest, was geht und was nicht. Sie tasteten sich heran und sind jetzt mit dem Ergebnis sehr zufrieden, sodass ein Rollout kurz bevorsteht.
Wo und was baut Peter Pane an?
Peter Pane startete mit Salat. Hier ist die Frische von jedem Gast erlebbar. Schließlich kommt er vom Feld herausgeputzt auf den Teller. In diesem Fall eben vom Wachstumsschrank im Gästebereich in die Küche. Allerdings konnten die Köche den Bedarf tatsächlich nicht aus den vorhandenen Ressourcen decken. Das war der Grund, warum Peter Pane auf Micro Greens umsattelte. Dennoch möchte der Ketteninhaber künftig nicht auf Salate verzichten. Gemeinsam mit Mana Farms sucht er nach neuen Lösungen.
Wie kommt Indoor Farming beim Küchenteam und Gast an?
Die erste Testphase in Lübeck endete mit einem wichtigen Lerneffekt. Das Personal verhielt sich nicht so motiviert wie erwartet. „Für die Mitarbeiter ist was Neues mehr Aufwand und da haben sie keine Lust drauf“ erklärte Patrick Junge das Verhalten. In der zweiten Testphase in Leipzig gibt es einen Projektleiter, der alle Mitarbeiter im Projekt mitnimmt. Seither steht das Küchenpersonal hinter dem Projekt und liefert täglich hervorragende Qualität ab. Beim Gast kommt das Konzept laut Patrick Junge zu 100 Prozent an.
Weshalb investierte Hendrik Kampmann in das Projekt?
„Tatsächlich wusste ich nicht mal so ganz richtig, was Vertical Farming ist und habe eher an irgendwelche bewachsenen Hochhäuser gedacht“ resümierte Hendrik Kampmann seine ersten Gedanken. Normalerweise beschäftigt sich der Klimatechniker mit Heizung, Kühlung und Lüftung in Gebäuden. Das Grundprinzip von Indoor Farming ist ihm also nicht fremd. Mit dem Mikroklima des Wachstumsschrankes, das viel Wärme, Licht, Luft, Wasser- und Nährstofftransport erfordert, kannte er sich aus. „Wir fanden das interessant, unsere Expertise, auch bei Mana Farms mit einbringen zu können“ erläuterte Hendrik Kampmann sein Engagement. Der Wachstumsschrank ist in seiner Größe für den Einsatz in Gasträumen begrenzt. Wie sieht es mit der Weiterentwicklung aus, um ihn in der Gastronomie vielfältiger einsetzen zu können? „Die Vision, die mich am Anfang auch gleich angesprochen hat, war die eines größeren Schranks“ so Hendrik Kampmann. Dieser stünde nicht mehr unbedingt im Gastraum, sondern eher in der Küche. Eventuell finden sogar mehrere Schränke nebeneinander Platz für ein größeres Potenzial. Dann wäre es möglich, vielfältige Greens anzubauen, die das Küchenpersonal sofort verarbeiten kann.
Welches Zukunftspotenzial hat Indoor Farming?
In der Gastronomie sehen Gäste die Pflanzen vor ihren Augen wachsen und auf den Teller kommen. „Das ist ein ganz wichtiger Schritt, dieses Thema auch in der Gesellschaft stärker zu verankern“ ist Patrick Junge überzeugt. Daher muss der Wachstumsschrank im Gastraum stehen. Aus wirtschaftlichen Gründen muss die Produktion skalierbar sein. In seinem Landwirtschaftsbetrieb in Mecklenburg-Vorpommern baut Patrick Junge konventionelle und ökologische Produkte an. Salat macht dort aus nachhaltiger Sicht wenig Sinn, da keine ganzjährige Produktion möglich ist. Indoor Farming ist aus ressourcenschonender Sicht eine gute Alternative, kombiniert mit dem großflächigen Anbau in seinem Betrieb in Mecklenburg-Vorpommern.
Micro Greens im Gastraum anbauen als Vorstufe zu einer großflächigeren Produktion?
Für Patrick Junge ist das ein denkbarer Weg. Ziel ist es, den Gastronomen verschiedene Größenvarianten anzubieten. Zentrale und dezentrale Farming Systeme sind die Zukunft, ob in Containern, großen Lagerhallen oder Plant Factories. Doch sie brauchen Zeit. Nur Schritt für Schritt geht es zu mehr Nachhaltigkeit. Ein Anfang ist mit Micro Greens im Gastraum gemacht. Frische, hohe Qualität und die Wertschätzung des Gastes sind Gastronomen sicher.